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Die SBIG ST-9E - Eine CCD Kamera für lange Brennweiten (Teil 1)

Autor: Peter Bresseler,
publiziert in Sterne + Weltraum, August 2001, Seite 676 ff

Allgemeines
Spezifikationen des Kodak Chips KAF 0261E
Mehrstufige Kühlung
Die Steuersoftware
Anpassung ans Teleskop
Einsatzfelder
Weitere Anwendungsbereiche
Fazit
Literatur


Wer ein leistungsfähiges Teleskop auf einer stabilen Montierung besitzt, benötigt heutzutage auch eine moderne CCD-Kamera mit möglichst vielen Pixeln, um die Leistungsfähigkeit seines Teleskops ausschöpfen zu können. Bei Amateurastronomen erfreuen sich die CCD-Kameras der Firma SBIG großer Beliebtheit. In diesem Beitrag wird ein aktuelles Modell der CCD-Kameras von SBIG vorgestellt.


Die Anzahl der auf dem Markt befindlichen CCD-Kameras hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Dem Amateur wird es durch die Vielfalt des Angebots nicht leichter gemacht, die richtige Wahl zu treffen, denn nicht jede Kamera ist aufgrund ihrer technischen Spezifikation für jeden Anwendungszweck gleich gut geeignet. Die neue SBIG ST-9E nutze ich für die Deep-Sky-Astrophotographie, meinen Beobachtungsschwerpunkt. Ob die Kamera für diesen Zweck geeignet ist, was sie leistet und welche weiteren Anwendungsbereiche interessant erscheinen, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Eigenschaften und Merkmale
Mit der neuen ST-9E bietet die Santa Barbara Instrument Group [1], (SBIG) wieder eine CCD-Kamera an, die wie die ST-7E und ST-8E über zwei CCD-Chips verfügt. Der in der ST-9E implementierte Kodakchip KAF 0261 E dient der Aufnahme von Objektbildern, der zweite, der Texas Instruments TC-211, dient der automatischen Nachführung. Mit Hilfe dieser dualen Konzeption ist es möglich, während der Bildgewinnung das Teleskop gleichzeitig automatisch nachzuführen. Von SBIG wird dieses Aufnahmeverfahren als Selfguiding bezeichnet. Zur automatischen Nachführung sind keine weiteren Instrumente wie off-axis-guider oder ein separates Leitrohr notwendig. Voraussetzung ist lediglich eine SBIG-kompatible Autoguider-Schnittstelle an der Montierung zur Aufnahme der Korrektursignale der Nachführelektronik der Kamera. Dank der weiten Verbreitung der SBIG-Autoguider hat sich diese Schnittstelle bei vielen Montierungen als "Quasi-Standard" etabliert. So findet man diese Autoguider-Schnittstelle beispielsweise in den Produktreihen von Celestron, Vixen, Losmandy und Meade (Abb. 1).

Der Chip KAF 026lE stammt aus der neuen Kodak Enhanced Reihe. Das "E" im Namen des Chips weist auf diese Typenbezeichnung hin. Der Kodak Enhanced Chip besitzt eine 30% höhere Empfindlichkeit verglichen mit Kodak KAF- Chips der ersten Generation. Die Pixelanzahl des Chips beträgt 512 x 512 Pixel. Die Pixel sind quadratisch und 20 my x 20 my groß, so beläuft sich die lichtempfindliche Fläche auf etwa 10.2 mm X 10.2 mm. Die ST-9E reiht sich damit, was die Chipfläche angeht, zwischen der ST-7E und ST-8E von SBIG ein (Abb. 2). Das Gesichtsfeld der ST-9E an einem Teleskop mit einer Brennweite von 2000 mm liegt bei 17.'5 x 17'.5. Die Winkelauflösung beträgt dann gut 2" pro Pixel.

Die Auslesezeiten betragen im Fullframemodus, d.h., wenn sämtliche 262.144 Pixel im Einsatz sind, inklusive der Digitalisierung, ca. 11 s, im schnellen Fokusmode, bei dem nur ein kleiner Teil ausgelesen wird, ca. 1.5 s. Der Parallelport des PC bzw. die Druckerschnittstelle wird dafür verwandt. Aufgrund dieser Systemarchitektur eignet sich die CCD-Kamera auch für den mobilen Einsatz an Notebooks und Laptops, denn es wird keine PC-Steckkarte benötigt. Es sind Belichtungszeiten von 0.11 s bis 3600 s möglich, ein elektromechanischer Shutter dient als Verschluss. Die Digitalisierung erfolgt mit einer Tiefe von 16 Bit, so dass ein dynamischer Bereich von 65.536 Graustufen zur Verfügung steht.


Abb. 1: Die ST-9E hinter dem Okularauszug des Cl4 und dem Lumicon Off-Axis Guider (LOG). Ein Off-axis-guider ist zum Kamerabetrieb im Self-guidingmodus nicht notwendig. Hier wird lediglich auf die brennweitenverkürzende Wirkung der integrierten Shapleylinse abgezielt. Auf der rückwärtigen Seite erkennt man den Lüfter der Kühleinheit (L) sowie die kleinen Stutzen zur Aufnahme der Wasserschläuche (SW). Auf der oberen Seite sieht man die Stromversorgungsbuchse (SB), die PC- und die Auto-guider-Schnittstelle (PS und AS).
Abb. 2: Größenunterschiede der von SBIG verwandten Kodak CCD-Chips



Spezifikation des Kodak-Chips KAF 0261 E
Kodak klassifiziert die CCD-Chips nach verschiedenen Güteklassen. In der ST-9E ist standardmäßig ein Chip der Güteklasse 1 implementiert, was bedeutet, dass der Chip bis zu 10 Pixeldefekte, bis zu 4 Clusterdefekte, aber keine Spaltendefekte aufweisen darf. Als Cluster bezeichnet Kodak eine Gruppe von maximal fünf Pixeln. Ein Pixel gilt allerdings schon als defekt, wenn die Empfindlichkeit um ± 20% von derjenigen der Nachbarpixel abweicht.
Man spricht an dieser Stelle auch von heißen (hot) oder kalten (cool) Pixeln, deren Bedeutung aber nicht überbewertet werden sollte, denn einerseits sind diese Heiligkeitsunterschiede kaum wahrnehmbar, andererseits lassen sich diese Anomalien durch eine Funktion innerhalb der Kamera-Software einfach kompensieren.

Der Kodak KAF 026lE ist in der ST-9E nur als Non Antiblooming Chip (NABG) implementiert. Der Chip enthält keine Potentialsperren, die ein mögliches Überlaufen der Ladungsmenge verhindern. Befinden sich helle Sterne im Gesichtsfeld, so kann es aufgrund der hohen Empfindlichkeit schnell zu einer Übersättigung einzelner oder mehrerer Pixel kommen, deren überschüssige Ladung in vertikaler Richtung abfliegt. Dieses Verhalten wird als Blooming, bezeichnet. Wir werden hier im weiteren Verlauf sehen, dass sich die durch Übersättigung entstandenen Artefakte durch bestimmte Aufnahmetechniken verhindern lassen.

Nicht jedes auftreffende Lichtquant (Photon) wird vom Chip registriert und in eine elektrische Ladung umgewandelt. Man spricht hier von der Quanteneffizienz, die mit der Wellenlänge des Lichtes variiert und für den KAF 026lE in Abb. 3 dargestellt ist. Interessant ist, dass der KAF 026lE neben der höheren Quanteneffizienz im Vergleich zu den Chips der älteren Kodak KAF-Reihe im Blauen nochmals um 30% empfindlicher ist. Der KAF 026lE besitzt die höchste Quanteneffizienz im roten Spektralbereich, 68% bei 600 nm, d.h., mehr als zwei Drittel aller eintreffenden Photonen werden registriert und führen zu einer Umwandlung in Ladungsenergie. Bei der für die Astrophotographie interessanten Ha-Linie (653 nm) der HII-Regionen und anderer Emissionsnebel beträgt die Quantenausbeute noch über 60%. Rotempfindliche Filmemulsionen, wie beispielsweise der populäre TP2415 [2], erreichen bei dieser Wellenlänge eine 20-fach geringere Quantenausbeute!

Die Full Well Capacity, d.h. die maximal aufzunehmende Ladungsmenge, beträgt bei dem Kodak KAF 026lE ca. 200.000 Elektronen pro Pixel. Dieser Wert lässt sich durch »Binning« sogar noch steigern. Der Chip ermöglicht bei dem 2 x 2-Binning das Zusammenführen von 2 x 2 Pixeln zu einem »Superpixel" bei einer Vervierfachung der maximal möglichen Ladungsaufnahme. Allerdings führt dieses Verfahren zu einer Halbierung der Auflösung.

Die Empfindlichkeit der ST-9E ohne Binning ist beispielsweise gleichzusetzen mit der Empfindlichkeit der ST-7E ABG im 2 x 2-Binningmodus bzw. doppelt so hoch wie die ST-7E NABG. Das 2 x 2- Binning ergibt bei der ST-9E eine Pixelgröße von 40 my bzw. beim 3 x 3-Binning eine Pixelgröße von 60 my mit einer entsprechend reduzierten Auflösung (Abb. 4). Zur hochaufgelösten Abbildung von Objekten eignet sich das Binning hier nicht, hilfreich und sinnvoll ist es in jedem Fall zum Aufsuchen lichtschwacher Objekte [3].

Der kleinere Nachführchip, der Texas Instruments TC-211, ist 2.64 mm x 2.64 mm groß und verfügt über 192 x 165 Pixel. Jedes einzelne Pixel ist 13.75 my x 16 my groß. Den TC-211 finden wir auch im weitverbreiteten Autoguider ST-4 wieder, wobei der in der ST-9E implementierte Nachführchip eine Digitalisierungstiefe von 16 Bit aufweist, im Gegensatz zur 8-Bit-Digitalisierungstiefe der ST-4. Damit ist der Nachführchip in der Konfiguration mit der ST-9E erheblich empfindlicher. Der TC-211 ist auf der gleichen Fokalebene wie der Aufnahmechip in einem Abstand von genau 6 mm plaziert. Diese Anordnung hat in der Praxis im Gegensatz zu einer getrennten Form mit separatem Autoguider den Vorteil, dass nur einmal fokussiert werden muss. Der Nachteil, dass möglicherweise aufgrund der starren Anordnung kein geeigneter Leitstern zu finden ist, hat sich in meiner Praxis äußerst seiten bestätigt. Sollte kein geeigneter Nachführstern gefunden werden, da sich beispielsweise die Beobachtungsobjekte in relativ sternarmen Himmelsregionen wie Coma Berenices oder Virgo befinden, kann man das Problem mithilfe eines kleinen Tricks in den Griff kriegen. Man schwenkt einfach die CCD-Kamera um 90 Grad, und begibt sich weiter auf Leitsternsuche, usw.. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Orientierung des Chips immer parallel zu Rektaszension und Deklination verläuft. Alternativ sucht man spiralförmig die Himmelsregion um das Zielobjekt nach Nachführsternen ab, wobei man dann eventuell eine exzentrische Positionierung des Aufnahmeobjektes in Kauf nehmen muss.


Abb. 3 (links): Quanteneffizienz des KAF 0261 E in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Die höchste Quanteneffizienz besitzt der Chip bei 600 nm. Signifikant ist die gute Blauempfindlichkeit.



Abb. 4 (unten): Das Binning von Bildelementen (Pixeln)


Mehrstufige Kühlung
Die Höhe des Dunkelstroms ist neben der Quanteneffizienz und der Auflösung sicherlich eine der wesentlichen Kenngrößen eines CCD-Chips. Dieser entsteht durch thermische Aktivitäten auf dem Chip (Gitterschwingungen). Auch ohne Belichtung entsteht ein Dunkelstrom, der als Rauschanteil eine limitierende Größe bei der Gewinnung von Aufnahmen darstellt. Da die Höhe des Dunkelstroms temperaturabhängig ist, gilt: je geringer die Chiptemperatur, desto geringer ist der Dunkelstrom. Der Dunkelstrom des Kodak KAF 026lE beträgt 35 Elektronen pro Pixel und Sekunde bei 0 Grad C.

Berücksichtigt man den Sachverhalt, dass sich die Dunkelstromerzeugungsrate bei einer Temperaturverringerung von 5- 6 Grad C halbiert, so erkennt man, wie wichtig eine gute Kühlung ist. Daher wurde von SBIG eine mehrstufige thermoelektrische Kühlung konzipiert. SBIG spricht hier von einem "Thermoelektrischen Cooling Booster", einem Modul, welches über eine separate 12-V-Stromversorgung betrieben wird. Das Kühlsystem basiert auf zwei Peltierelementen, einem Lüfter und einer Wasserkühlung. Zum Lieferumfang gehört daher eine externe Wasserpumpe, Schläuche und ent- sprechende Adapter.

Mithilfe der aktivierten Wasserkühlung wird eine konstante Temperatur von ca. 40 Grad C unterhalb der Umgebungstemperatur sichergestellt. SBIG empfiehlt den Einsatz nicht bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes, sofern dem Kühlwasser kein Frostschutzmittel zugefügt wurde. Man sollte sich vor dem Ausbalancieren des Teleskops im klaren sein, ob die Wasserkühlung zum Einsatz kommt oder nicht, denn das Gewicht der Wasserschläuche am Okularauszug und deren Hebelwirkung ist nicht unerheblich.

Ohne den Einsatz der Wasserkühlung wird eine Kühlleistung von gut 30 Grad C unterhalb der Umgebungstemperatur erreicht. Damit reduziert sich die Dunkelstromerzeugungsrate um ein Mehrfaches, das Ergebnis sind bei einer entsprechenden Belichtungszeit rauscharme Aufnahmen. Die Kühltemperatur des CCD-Chips wird über die Steuersoftware mithilfe eines Mikroprozessors auf einen eingegebenen Wert geregelt. Die Regeltoleranz beträgt 0.1 Grad C. Durch diese Regelgenauigkeit können sehr exakte Darkframes angefertigt werden, die nach der Bildgewinnung vom Rohbild abgezogen werden müssen. Ebenso lassen sich komplette Darkframe-Bibliotheken tagsüber anlegen, so dass keine kostbaren Nachtstunden zur Darkframegewinnung verschwendet werden.

Zur Kompensierung der Feuchtigkeit im Gehäuse wird eine von außen zugängliche Trockenpatrone verwendet. Die darin befindlichen Silika-Gel-Kügelchen absorbieren die Feuchtigkeit und verhindern damit die Eisbildung auf dem CCD-Chip. Dieses Verfahren ist sehr effizient, jedoch nicht ganz wartungsfrei. Nach gut einem Jahr muss die Trockenpatrone im Backofen bei 175 Grad C ca. vier Stunden »gebacken" werden. Die Kügelchen verfügen leider nicht über Farbindikatoren, die anzeigen könnten, wie weit der Trocknungsprozess gediehen ist. Alternativ hat sich die Herausnahme der Kügelchen aus der Trockenpatrone mit anschließendem Erhitzen in der Mikrowelle (5 Minuten bei 300 W) gut bewährt. Diesen Erfahrungswert gilt es etwa einzuhalten, denn bei höherer Leistung läuft man Gefahr, dass die Kügelchen pulverisiert werden. Die Folgen sind unschön, denn gelangen diese Teilchen auf den Chip, vermag kein Flatfield diese Anomalien zu beseitigen. Die sich daraus ergebende Konsequenz, das frontseitige Öffnen der Kamera und die vorsichtige Reinigung des Chipfensters mit Druckluft, erspart man sich an dieser Stelle.




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